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Raphaels erstes Jahr in Brasilien


Liebe Freunde und Freundinnen, Brüder und Schwestern,


nun ist mein erstes Jahr in Mission vorbei und ich darf euch von unserem Leben und meiner Erfahrung in Brasilien erzählen. Das letzte Jahr war voller neuer Eindrücke, spannenden Erfahrungen und Erlebnissen, die ich wohl nie wieder vergessen werde.

Zu allererst möchte ich mich bei Gott bedanken für diese Erfahrung, in der ich immer wieder seine führende Hand spüren darf und die mir sehr viel Kraft und Klarheit für meinen Berufungsweg gibt.

Mein Name ist Raphael Heinrich, 21 Jahre alt und komme ursprünglich aus der Nähe von Siegen. Ich selbst habe 5 Jahre lang Drogen konsumiert und 2018 meine Eltern um Hilfe gebeten, um von der Droge wegzukommen. Meine Eltern erzählten mir damals von der Fazenda da Esperanca in Boppard und so habe ich mich dort im Jahr 2018/2019 rekuperiert. Gegen Ende meines Jahres verspürte ich den Wunsch eine Erfahrung als Freiwilliger in Brasilien zu machen und teilte dies meiner Familie und meinen Verantwortlichen mit. Nach einem kurzen Urlaub im Haus meiner Eltern begann am 1. März 2020 mit dem Flug über den Atlantik das Abenteuer meines Lebens. Ich konnte nur ein paar einzelne Wörter Portugiesisch, war noch nie wirklich weit weg von zuhause, hatte überhaupt keine Vorstellung, was es heißt in Südamerika zu leben, habe alles hinter mir gelassen und mein Leben ab diesem Punkt vollkommen in die Hände Gottes gelegt, in dem Vertrauen, dass er ab jetzt für mich sorgt und auf mich aufpasst.

Nach einer langen Reise landete ich am Flughafen in Sao Paulo. Dort holte mich der deutsche Priester Christian Heim ab und wir fuhren auf den Hof der Hoffnung in Pedrinhas/Guaratingueta, wo ich für die nächsten Monate dann auch lebte .Ich durfte meine Erfahrung in einem Haus mit 14 Brasilianern beginnen und wir haben uns täglich um die Plantage gekümmert und dort gearbeitet. Am Anfang hatte ich viele Zweifel und war oft frustriert, da ich die Sprache der Jungs weder verstehen noch sprechen konnte. Aber dann habe ich eine ganz prägende und wichtige Erfahrung gemacht und zwar, dass die Liebe keine Hindernisse, Sprach- oder Kulturunterschiede kennt.

Liebe - das sind ganz oft Taten und Haltungen dem Nächsten gegenüber und oft ist es wichtiger, das lebendige Wort konkret in die Praxis umzusetzen, anstatt nur darüber zu reden. So habe ich angefangen, mich durch meine Taten auszudrücken und durch kleine Akte, wie zum Beispiel das Bett von meinem Bruder zu machen oder das Geschirr zu spülen, meinen Mitbrüdern näher zu kommen und Freundschaften zu schließen. Nach 3 Monaten konnte ich dann auch schon recht gut Portugiesisch und mir fiel Vieles leichter. Ich fühlte mich angenommen, glücklich und das Leben in Gemeinschaft mit meinen neuen brasilianischen Brüdern gab mir jeden Tag eine sehr große Freude.

Als dann der Corona-Virus im März 2020 so richtig in Brasilien ankam, wuchs im Herzen unserer Gründer Frei Hans Stapel und Nelson Giovanelli die Frage, wo denn die Menschen hingehen, die auf der Straße leben und sich nicht vor dem Virus schützen können. So machte die Fazenda die Türen weit auf, um diese Menschen aus der Situation der Straße bei uns aufzunehmen und ihnen eine neue Perspektive zu geben. Ein paar Wochen nach dem Beginn dieser neuen Erfahrung wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könne, als Freiwilliger diese Jungs in Quarantäne zu begleiten und mit ihnen diese Erfahrung zu machen. Natürlich sagte ich sofort zu und lebte für einige Wochen zusammen mit den Jungs in Isolation im traumhaften atlantischen Regenwald in den Bergen von Guaratingueta. Diese Zeit mit den Jungs war mit die wertvollste Zeit meines Lebens und ich durfte ganz viel von meinen Brüdern lernen und meinen Glauben weitergeben.


Eines Tages kam ein Junge ohne Schuhe und nur mit kaputten Flipflops am Fuß zu uns und ich gab ihm meine Schuhe. 8 Monate später traf ich ihn wieder. Er war ein ganz anderer Mensch. Seine Ausstrahlung, der Glanz in den Augen, die Art wie er sich artikulierte… Er nahm mich weinend in den Arm und dankte mir dafür, dass ich ihm Monate vorher meine Schuhe geschenkt hatte, weil dies eine der ersten Erfahrungen auf der Fazenda für ihn war, durch die er sich geliebt fühlte.

An diesem Tag trug er noch immer meine Schuhe, die ich im damals geschenkt hatte. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie diese Erfahrung mich glücklich gemacht hatte, wie viel eine kleine Tat der Liebe verändern kann.

Nach Absprache mit meinen Verantwortlichen bin ich dann im Juli 2020 auf die Fazenda in Caico gereist, die im Nordosten Brasiliens liegt. Dort begegnete ich einer völlig neuen Mentalität und Realität als im Süden Brasiliens. Das Leben im Nordosten ist sehr einfach, arm, trocken und von viel Hitze geprägt. Die Anpassung daran war anfangs natürlich erst einmal eine Herausforderung für mich, aber nach einigen Woche habe ich mich durch die Hilfe der Jungs und das Leben in Gemeinschaft dort gut eingelebt.

Wir haben in den kommenden Monaten mit der Hilfe von Handwerkern aus der Stadt ein zweites Haus gebaut, in dem heute sogar schon neue Rekuperanten leben dürfen. Oftmals hatten wir kein fließendes Wasser auf der Fazenda und duschten uns mit Wasser, was mit Eimern aus dem nächsten See geholt wurde. Trinkwasser mussten wir extra aus der 25 Minuten entfernten Stadt holen und das bei Temperaturen von täglich rund 42 Grad. Ich habe in dieser Zeit ganz besonders lernen dürfen, dass das Glück oft in den ganz kleinen Dingen liegt, wie zum Beispiel beim gemeinsamen Singen mit den Jungs und dass man zum glücklich sein oftmals nicht viele materielle Dinge braucht. Wenn Gott unter uns ist, fehlt uns an nichts!

Nach fast einem halben Jahr im Nordosten ging es für mich wieder zurück nach Pedrinhas/ Guaratingueta im Süden Brasiliens, wo ich eine gesegnete Adventszeit verbrachte und viele spirituelle Impulse mitnehmen durfte. Kurz vor Weihnachten erhielt ich dann die Einladung, eine neue Erfahrung als ,,Padrinho‘‘ in Macae im Bundesstaat Rio de Janeiro zu machen. Dort leben wir auf einem Hof mit 45 Jungs in 5 Häusern und produzieren Brot, Käse, Kekse, verschiedene Süßigkeiten und seit neuestem Pizza, die wir sonntags in der Stadt verkaufen. Momentan darf ich dort das Haus der Neuaufnahmen begleiten und die ersten Schritte der Jungs in ein neues Leben sehen und miterleben. Das Leben in Macae/Rio de Janeiro bereichert mich unglaublich und so bin ich sehr froh, wenn ich nach Ostern wieder zurückfliegen kann, um dort die nächste Zeit zu leben.

Momentan bin ich nach 1 Jahr auf Heimaturlaub und darf für ein paar Wochen die Zeit mit meiner Familie und Freunden genießen, um meine Energie aufzutanken, bevor mein Weg mich wieder nach Brasilien führt. Ich danke allen Menschen, die mich im Gebet unterstützen und bin ganz verbunden mit jedem Einzelnen von euch. Ich darf jeden Tag aufs neue die Erfahrung machen, dass das Leben mit Gott ein unglaublich spannendes, ewiges und bereicherndes Abenteuer der Liebe ist.

Euer Raphael





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